Dieser Artikel beruht sowohl auf einem Interview mit Farhana Pinu als auch auf Pinu, Goldansaz und Jaine's “Translational Metabolomics: Current Challenges and Future Opportunities” aus dem Journal “Metabolites”.
Metabolomik ist derzeit ein gefragtes Forschungsgebiet, das ein besseres Verständnis von Organismen sowie eine verbesserte, personalisierte Diagnostik und Behandlung verspricht.
Wissenschaftler machen von Jahr zu Jahr größere Fortschritte. Trotzdem kommen bisher nur sehr wenige Metabolomik-Anwendungen in Kliniken zum Einsatz.
Farhana und ihre Kollegen haben Empfehlungen darüber zusammengetragen, wie wir mehr Forschungsergebnisse in klinische und industrielle Produkte umsetzen können. Genau das ist die Wissenschaft der translationalen Metabolomik: Das "Übersetzen" wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.
Die Unterschiede zwischen akademischen und industriellen Zielen
Um herauszufinden, warum Forschungsergebnisse nur so schwer in die Praxis umgesetzt werden können, müssen wir die unterschiedlichen Ziele von Wissenschaft und Industrie berücksichtigen:
- Wissenschaftler suchen nach neuen Erkenntnissen: Zu verstehen, wie die Dinge funktionieren.
- Pharmaunternehmen suchen nach Produkten: vermarktbare Produkte aus Forschungsergebnissen zu entwickeln.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Ziele arbeiten Wissenschaft und Industrie oft mit ganz unterschiedlichen Zeithorizonten. Wissenschaftler verbringen teilweise Jahre oder Jahrzehnte mit der gleichen Fragestellung, während klinische Anwendungen innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren umgesetzt werden.
Translationale Metabolomik versucht, diese unterschiedlichen Zielsetzungen in Einklang zu bringen. Dabei kann sie bereits erste Erfolge verzeichnen. Die bekanntesten und bisher profitabelsten Einsatzgebiete sind:
- Pränatale Tests, die das Krankheitsrisiko ungeborener Kinder bestimmen;
- Ermittlung erblich bedingter Krebserkrankungen, um herauszufinden, ob Patienten ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten haben; und
- Personalisierte Medizin, die eine Behandlung auf Basis individueller Faktoren anpasst.
Die Erfolge in diesen Bereichen lassen uns hoffen, dass Metabolomik auch bald viele weiter Anwendungen findet. Im Moment gibt es noch einige Herausforderungen, die überwunden werden müssen.
Herausforderungen in der translationalen Metabolomik
Das Potential translationaler Metabolomik ist vielversprechend, im Moment stehen jedoch noch einige Hindernisse im Weg. Wir haben die größten Herausforderungen und möglichen Lösungsansätze zusammengetragen.
HERAUSFORDERUNG #1: Der Translation-Prozess kann an mehreren Stellen scheitern.
Damit ein Projekt erfolgreich ist und Mehrwert schafft, braucht es:
- 🧪 robustes Studiendesign;
- 🚚 solide Datenerhebung;
- 📊 einfach zu bedienendes Data Mining;
- 🤓 gründliche Auswertung; und
- ✅ erfolgreiche Validierung von Biomarker-Kandidaten.
Wenn auch nur einer dieser Schritte fehlschlägt, kann das ganze Projekt scheitern.
LÖSUNG #1: Stringente Prozesse und benutzerfreundliche Tools
Stringentere Prozesse gewährleisten die Validität und Stichhaltigkeit der Experimente. Dazu gehören:
- Internationale Richtlinien: Wenn sich Labore an Richtlinien von Berufs- und Aufsichtsbehörden halten, werden Forschungsergebnisse international vergleichbar und dadurch langfristig wertvoller. Eine ausführliche Dokumentation, und ein stringenter Prozess, mag zwar anfangs umständlich wirken, zahlt sich aber am Ende aus.
- Entwicklung von benutzerfreundlichen Tools: Wenn Wissenschaftler auf bennutzerfreundliche Open-Source Software und Datenbanken zugreifen können, dann wird die Zusammenarbeit zwischen Teams einfacher und zuverlässiger.
Bessere Prozesse und Tools tragen dazu bei, dass Ergebnisse zuverlässiger sind und am Ende von anderen Wissenschaftlern auch reproduziert werden können.
HERAUSFORDERUNG #2: Kritische Stimmen
Metabolomik ist nach wie vor eher ein Nischengebiet. Langfristig wird sie uns jedoch dabei helfen, viele Krankheiten besser zu verstehen. Außerdem können Schnelldiagnosen und verschiedenste medizinische Anwendungen unsere Lebensqualität verbessern. Doch bislang bleiben die welt verändernden Anwendungen noch aus.
Metabolomik verzeichnet jedoch laufend neue Erfolge. Durchbrüche in der Metabolomik haben bisher nur wenig Aufmerksamkeit erregt, weil sie nicht breit kommuniziert werden: Die Branche benötigt noch besseres PR.
LÖSUNG #2: Öffentlichkeitsarbeit und Engagement von Wissenschaftlern
Farhana Pinu kritisiert, dass Wissenschaftler Erfolge in der Metabolomik nicht immer ausreichend publik machen. Sie sollten sich um Werbung über soziale Medien und andere Kanäle bemühen.
Auch in anderen Omics-Bereichen könnten die Resultate besser kommuniziert werden. Metabolomik ist jedoch eines der am wenigsten ausgereiften Omik-Felder und muss in manchen Bereichen noch etwas aufholen.
Die Metabolomik-Community sollte sich daher aktiv mit diesem Problem auseinandersetzen und sich um stärkere Öffentlichkeitsarbeit bemühen.
HERAUSFORDERUNG #3: Metabolomik ist eine kostspielige Angelegenheit
Wissenschaftler verwenden teure Analysesoftware und Plattformen, die oft unnötig kompliziert aufgebaut sind. Die Einrichtung eines kompletten Metabolomik-Labors kostet Millionen. Eine LC-MS Maschine allein kostet fast eine Million US-Dollar.
Um Kosten zu sparen, messen Labore oft weniger Proben, was wiederum die Ergebnisse beeinträchtigt.
LÖSUNG #3: Günstigere, miniaturisierte Geräte
Jeder, der sich für die Metabolitenmessung interessiert, sollte in der Lage sein, Studien darüber durchzuführen. Doch ohne günstigere Laborgeräte haben nur wenige Forscher Zugriff auf das nötige Equipment.
Damit also mehr Studien durchgeführt werden können, braucht es miniaturisierte Geräte, die preiswerter und leichter zugänglich sind. Um das zu ermöglichen, müssen Hersteller von unterschiedlicher Hardware und Software zusammenarbeiten.
HERAUSFORDERUNG 4: Multidisziplinäre Expertise
In anderen Disziplinen bestehen Forschungsteams meistens aus Experten desselben Fachgebiets. Für die translationale Metabolomik benötigen Teams jedoch Biologen, analytische Chemiker, Statistiker, Data Scientists und Bioinformatiker.
Die schiere Vielfalt an Expertenwissen hat zur Folge, dass Metabolomics-Teams nicht nur größer, sondern auch schwieriger zu koordinieren sind. Dadurch werden die Teams teurer und arbeiten weniger effizient.
LÖSUNG #4: Multidisziplinäre Kollaboration und interdisziplinäre Schulungen
Akademische Fachrichtungen neigen dazu, sich im Laufe der Zeit immer stärker zu spezialisieren. Damit translationale Metabolomik erfolgreich ist, braucht es jedoch:
- Bessere Kollaboration zwischen Experten; und
- Weiterbildungen und Schulungen multidisziplinärer Experten.
Ein einzelner Wissenschaftler mit Kenntnissen in Biologie und Data Science kann oft schneller zu Ergebnissen kommen als ein Experten-Duo, das sich mit jeweils einem, aber nicht mit dem anderen Bereich auskennt. Es wird jedoch zunehmend schwieriger, sich als einzelne Person ausreichend Wissen über ein so breites Feld wie die Metabolomik zu anzueignen.
Für bessere Zusammenarbeit benötigen wir mehr Räumlichkeiten, in denen Experten zusammenarbeiten können. Foren und Fachtagungen können den Austausch zwischen den Fachgebieten und auch zwischen akademischen, industriellen und behördlichen Institutionen fördern.
Für multidisziplinäre Experten brauchen wir spezialisierte Schulungsprogramme, die alle interdisziplinären Fähigkeiten vermittelt, die für Metabolomik Forschungen erforderlich sind.
HERAUSFORDERUNG 5: Präzise Datenerhebung
Selbst teure Geräte bieten keine universal einsetzbare Extraktionsmethode für alle Metaboliten. Viele Metaboliten sind instabil und können u. a. durch Licht, Hitze oder Oxidation abgebaut werden, auch bei Lagerung bei -80 Grad.
Einige Metaboliten weisen hohe Konzentrationen auf als andere. Daher müssen sie auch mit jeweils unterschiedlich spezialisierten Protokollen und Geräten gemessen werden.
Die Erfassung eines vollständigen Metaboloms einer einzelnen biologischen Probe ist nach wie vor anspruchsvoll, kostspielig und zeitaufwändig.
LÖSUNG #5: Bessere Geräte und Analyseplattformen
Viele Geräte und Analysesoftware sind schwer zu bedienen. Daher braucht es bessere Hard- und Software, mit der Daten präzise erfasst und analysiert werden können.
Nachdem Wissenschaftler ihre Daten auf präzise Weise erheben, benötigen sie außerdem einfache Möglichkeiten, diese Daten mit anderen Omics-Daten zu verbinden und mit anderen Teams zu teilen.
Bessere Datenanalyse- und Datenaustausch-Plattformen würden die translationalen Bemühungen daher enorm unterstützen.
HERAUSFORDERUNG #6: Absolute Quantifizierung in der Metabolomik
Forscher arbeiten häufig mit "semi-quantitativen" Daten. Das heißt, ihre Forschung und die daraus resultierenden Zahlen sind lediglich in ihrem eigenen Labor und mit ihrer eigenen Ausrüstung schlüssig.
Zum Beispiel könnten Forscher einen Metaboliten entdecken, der eine bestimmte Krankheit identifiziert. Anhand der Menge dieses Metaboliten können sie dann gezielt zwischen gesunden und kranken Patienten unterscheiden.
Dabei handelt es sich jedoch um ein relatives Maß, das nicht auf einen einheitlichen Standards kalibriert ist. Ein Arzt auf der anderen Seite der Welt kann diesen Wert nicht einfach bei seinen Patienten anwenden, weil es noch keinen absoluten Grenzwert gibt, der Kranke von Gesunden unterscheidet.
LÖSUNG #6: Bessere Kalibrierungsmethoden und ein globaler Datenaustausch
Das Arbeiten mit absoluter Quantifizierung ist zwar anspruchsvoller, aber sehr wertvoll. Hierfür werden sorgfältig kalibrierte Maschinen eingesetzt, um exakte Mengen spezifischer Metaboliten zu identifizieren, die von Laboren auf der ganzen Welt repliziert werden können.
Sowohl die Gerätekalibrierung als auch die Qualitätssicherung ist dabei sehr kostspielig. Der globale Austausch von Resultaten ist diesen Aufwand aber auf jeden Fall wert.
Die Metabolomics Standards Initiative (MSI) gibt Empfehlungen für die Messung und Quantifizierung von. Forscher sollten sich an diese Standards halten, wo immer dies möglich ist, um die Umsetzung von Experimenten in klinische Anwendungen zu erleichtern.
HERAUSFORDERUNG #7: Forscher tendieren zu "Glamour"-Themen
Jeder will zur Krebs- oder Diabetes-Forschung beitragen. Große, ehrgeizige Projekte, die wahrscheinlich nur langsam Fortschritte machen. Viele Forschungen in diesem Bereich sind daher, aus wirtschaftlicher Sicht, nicht praktikabel: meistens ist es unwahrscheinlich, dass eine Lösung in einem vertretbaren Zeitrahmen auf profitable Weise umgesetzt werden kann.
Kleinere, spezialisiertere Probleme sind oft praktischer und auch profitabler. Allerdings erregen sie deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit und sind daher auch für Forscher oft weniger attraktiv.
Ambitionierte Forschung ist zwar wichtig; weitaus wichtiger ist jedoch die schrittweise Lösung konkreter Probleme, die tagtäglich in Kliniken auftreten.
LÖSUNG #7: Einfache und konkrete Ergebnisse
Forscher sollten mit Pharma- und Biotech-Unternehmen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Experimente einen angemessenen Umfang und Themenschwerpunkt haben. Das heißt, Experimente müssen:
- in einem angemessenen Zeitrahmen realisierbar sein; und
- sich auf ein spezifisches Problem konzentrieren (auch wenn es dabei “nur” eine Nische abdeckt).
Wenn sich Forscher im Hypothesenstadium auf Ergebnisse konzentrieren, die in reale Anwendungen (z. B. spezifische Diagnoseanwendungeneräte) umgesetzt werden können, ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass ihre Ergebnisse auch von Unternehmen umgesetzt werden.
HERAUSFORDERUNG #8: Ungeeignete Geräte für den Endnutzer
Wir wissen, dass die Forschungsgeräte kleiner und kostengünstiger werden müssen. Darüber hinaus bedarf es einer Weiterentwicklung der Geräte für die Endnutzer, wie z.B. Ärzte.
Viele Produkte, die auf Studien beruhen, stellen sich in der Anwendung als sehr komplex oder zeitraubend heraus. Die Ergebnisse sind manchmal nur schwer zu verstehen oder erfordern eine spezielle Analysemethode, wodurch die Produkte auch nicht gerne genutzt werden.
LÖSUNG #8: Einfach zu bedienende Geräte
Genau wie bei Laborgeräten brauchen wir auch einfache Geräte für den Endnutzer. Geräte sollten:
- einfach zu bedienen sein;
- portabel sein;
- schnelle Ergebnisse liefern;
- leicht zu interpretierende Ergebnisse liefern; und
- preiswert sein;
Diese Prioritäten liegen oft jenseits der akademischen und wissenschaftlichen Forschung, müssen jedoch von Anfang an berücksichtigt werden.
Forschst du im Bereich der translationalen Metabolomik?
Unser Team verfügt über weitreichende Erfahrung im Einsatz von Machine Learning, um Metabolomik-Forschung in reale Lösungen umzusetzen. Wenn du an Problemen im Zusammenhang mit Metabolomik-Forschung arbeitest, tauschen wir uns gerne mit dir darüber aus.